„Abalonia“ klingt, als hätten Turbostaat eine verlorene Insel gefunden – nicht auf der Karte, sondern im Gefühlshaushalt. Diese Platte ist kein bloßes Kapitel im Werk der Flensburger, sie ist ein Wendepunkt, ein seltener Moment, in dem eine Band ihren Sound nicht neu erfindet, sondern auf geheimnisvolle Weise klärt. Die Gitarren schrammen nicht – sie zeichnen Küstenlinien; das Schlagzeug treibt nicht – es atmet; und Jan Windmeiers Stimme trägt all das Spröde, Zärtliche, Wütende, das diese Songs zusammenzurrt wie ein alter Tampen im Wind.
„Abalonia“ ist nicht laut, um laut zu sein; es ist laut, weil es etwas nicht zurückhalten kann.
Das Besondere liegt in der Art, wie Turbostaat hier Geschichten in Brand setzen, ohne je den Funken zu zeigen. Die Texte sind Splitter, Landmarken, Verwehungen – man kann sie nicht ganz festhalten und wird gerade dadurch näher herangezogen. Es gibt diese Zeilen, die wie rostige Nägel in der Hand liegen und trotzdem golden funkeln; Bilder, die am Anfang wie Nebel wirken und plötzlich Konturen haben wie ein Gesicht, das man meint zu kennen. Nichts ist platt, alles hat Kanten – und trotz aller Kälte im Setting pulst Wärme durch die Songs, eine menschliche Beharrlichkeit, die sagt: Wir fallen, aber wir bleiben.
Musikalisch ist „Abalonia“ ein Feld aus Schwingungen, dicht gewebt und doch luftdurchlässig. Melodien tauchen auf und verschwinden, als gingen sie auf Tauchstation unter einer gischtenden Oberfläche; Refrains öffnen sich nicht in grellen Gesten, sondern wie Fenster, die einen Raum mit Atem füllen. Das Arrangement ist präzise wie eine Landkarte, auf der man sich verlaufen will: Jede Steigerung wirkt verdient, jede Ruhephase bewahrt die Spannung, als könnte gleich etwas kippen. Turbostaat greifen hier nach einer Größe, die nicht mit Pathos kommt, sondern mit Haltung – und das macht diese Platte so eigen, so würdevoll, so stark.
„Abalonia“ ist ein besonderes Album, weil es nicht bloß gelingt – es ereignet sich. Es verleiht den Rissen Würde und dem Widerstand Melodie. Wer Turbostaat mochte, wird sie hier neu verstehen; wer sie nie gehört hat, findet einen Einstieg, der eher an eine Hand erinnert als an ein Türschild. Am Ende bleibt dieses Gefühl, das die wirklich guten Alben hinterlassen: als hätte jemand in dir eine Lampe angezündet, die nicht blendet, aber den Raum verändert.
Fazit mit Schlüsselpunkten
„Abalonia“ ist kein weiterer Eintrag im Punk-Archiv, sondern ein Ereignis, das Turbostaats Sprache und Sound auf schmerzlich schöne Weise bündelt. Es leuchtet im Dunst, weil es Härte und Zärtlichkeit nicht trennt, sondern miteinander atmen lässt. Die Platte fordert Nähe, belohnt mit Haltung und bleibt lange nach dem letzten Ton als Restwärme im Raum. Ein besonderes Album – kompromisslos, würdevoll, notwendig.


Schreibe einen Kommentar